Beziehung neurotypische Frau mit Asperger Mann
Hallo,
Ich hoffe mein Riesen Text ist nicht zu abschreckend!
Kurz zu mir: Ich bin 27, weiblich und neurotypisch, jedoch bin ich ziemlich sensibel und mein Selbstvertrauen wird als "ausbaufähig" beschrieben. Allgemein würde ich mich auch als emphatisch und anpassungsfähig beschreiben.
Ich habe vor ca. 4 Monaten über eine Dating App einen Mann kennengelernt. Er ist 28 und wurde mit 7 Jahren mit Asperger Autismus diagnostiziert.
Wir schrieben ca. 2 Wochen hin und her und trafen uns dann auf einen Kaffee und zum spazieren. Ich war direkt von ihm fasziniert, er wirkte sehr intelligent, humorvoll, direkt (was ich sehr schätze!) und auch interessiert an meinem Beruf/ meinen Interessen usw. Wir haben einige Gemeinsame Interessen entdeckt und die Chemie zwischen uns stimmte einfach.
Er hat mir übrigens schon bei diesem Treffen von seiner Diagnose erzählt.
Mit den vielen weiteren Treffen, bauten wir langsam eine richtig schöne, vertrauensvolle Beziehung auf. Er gab sich wirklich Mühe und ich hatte einfach das Gefühl, es passt perfekt zwischen uns. Wir konnten zusammen lachen, hatten gemeinsame Interessen, besuchten sogar zusammen einen Tanzkurs ( war seine Idee und hat uns richtig viel Spass gemacht).
Allgemein sollte ich vielleicht erwähnen, dass er meistens von sich aus Treffen vorschlug und auch relativ viel bei mir war. ( Also Dienstags gingen wir meist Essen und danach tanzen und dann verbrachten wir entweder das Wochenende gemeinsam oder er kam mal abends zu mir und blieb bis zum nächsten Tag. )
Wir konnten irgendwie kaum die Finger voneinander lassen und er liess mich wirklich glauben, dass ich ihm sehr wichtig bin und er mich genau so akzeptierte wie ich bin. Er gab mir z.Bsp. oft diese süssen Stirnküsschen, kam auf einmal an und umarmte mich wenn ich z.Bsp. am kochen war, spielte immer beim TV schauen "neckend" mit meiner Hand, machte mir kleine Geschenke und trug auch immer dieses eine Haarband, welches ich ihm aus Blödsinn mal übers Handgelenk zog, als eine Art Armband. Er hat sich auch im Alltag immer mal wieder gemeldet und sich erkundet wie mein Tag war ect.
Da er sehr viele Interessen hat, sich auch gerne mal mit seinem Kumpel traf und auch beruflich sehr ausgelastet ist, fragte ich ihn sogar mal (aus Sorge ich würde ihn zu sehr beanspruchen) ob er denn noch genug Zeit für sich selbst hätte. Er meinte, ja das könne er sich schon so einrichten. Ach ja, er wird ziemlich sicher diesen Herbst in Schweden seinen Masterabschluss noch machen, was bedeutet, dass er dann 2 Jahre in Schweden leben wird. (er wartet noch auf die Zusage für seine Bewerbung)
Das ist zwar für mich keine besonders schöne Vorstellung weil es ja bedeutet, dass wir wohl dann grösstenteils eine Fernbeziehung hätten. Ich hab mich eigentlich schon emotional begonnen darauf vorzubereiten. Ich war mir sicher, es wird dann schon irgendwie machbar sein. Er hat mich ziemlich am Anfang sogar mal allgemein gefragt, ob ich mir je vorstellen könne mal im Ausland zu leben und zu Arbeiten. Das habe ich grundsätzlich bejaht, da ich eigentlich schon immer etwas davon träumte mal auszuwandern oder ein paar Jahre nicht in der Schweiz zu leben.
An einem andern Tag, als wir bei diesem Thema waren, hab ich ihm so "halb-scherzhaft" dann auch mal gesagt "ich könne ja dann einfach mit nach Schweden kommen".
Irgendwie hab ich das Gefühl gehabt, dass solche ihm " zukunftsorientierte" Aussagen von mir etwas verunsicherten. Andererseits hat er aber auch klar kommuniziert, dass er etwas ernstes sucht beziehungstechnisch. Er hatte bisher übrigens erst 1 "Beziehung" die schön länger zurück lag und wie er sagte nicht mal ein Jahr dauerte und auch eher oberflächlich war.
Jedenfalls hat er mich vor ca. 4 Wochen zum ersten Mal aus dem Nichts angesprochen, dass er nicht wisse ob er genug für mich fühlt um eine langfristige Beziehung zu führen. Er schien wie ausgewechselt und ich war total überrumpelt und traurig. Wir haben dann noch recht lange gesprochen und ich hab ihm auch gesagt, dass ich das so nicht erwartet hätte, da er mir ja so starke Zuneigung gezeigt hat und dies irgendwie nicht zusammen passte. Ich vermutete schon etwas einen Zusammenhang mit seinem Asperger. Dass er womöglich überfordert war, weil er plötzlich so viel Zeit für mich einplanen "musste". Ich gab ihm auch zu verstehen, dass ich genau so glücklich mit ihm gewesen wäre, wenn wir uns weniger oft gesehen hätten. Es war mir echt auch wichtig nie zwischen ihm und seinen Interessensgebieten oder seinem Privatleben zu stehen.
Er ging dann zum Sport und schrieb mich 2 Stunden später an, ob wir nochmal reden können.
Ich fuhr also nochmal zu ihm wo er mir unter Tränen erklärte, dass er sich wohl einfach zu sehr in einen Gedanken reingesteigert hatte und es ihm so leid tut, dass er mich so verletzte mit seiner Aussage. Er wäre wohl wirklich einfach etwas überfordert gewesen und hatte auch Sorge, sich nun doch zu wenig seinen andern Interessen zu widmen. Er habe aber tatsächlich oft noch Mühe seine eigenen Gefühle einzuordnen, aber ihm sei nun bewusst geworden, dass ich ihm sehr wichtig bin. Wir einignten uns dann darauf, einfach weiter zu machen wo wir waren, mit dem Vermerk, dass er sich WIRKLICH die Zeit für sich nehmen wird die er braucht. Er hat sich sogar die Mühe gemacht sich mit einem handgeschriebenen Brief und einem 3D gedruckten Foto von uns zu entschuldigen!
So vergingen nochmal 2 Wochen wo wir uns rückblickend betrachtet aber doch immer noch recht oft trafen. Er meinte, er hätte nur seinen Zeitplan und seine Routinen etwas anpassen müssen. Z.Bsp. lernte er nun im Zug auf dem Arbeitsweg schwedisch, statt Abends Zuhause und er machte öfter Homeoffice.
Ich fand das echt süss von ihm und genoss jede Sekunde in der er bei mir war. Ich hab mich wirklich noch nie so wohl mit jemandem gefühlt. (Ich hatte davor erst 1 Beziehung die die totale Hölle für mich war weil mein Ex Drogenabhängig war). Das liegt aber ein paar Jahre zurück.
Jetzt vor nochmal etwa 2 Wochen dann plötzlich wieder ein Schock. Er wollte "nochmal reden". Ich ahnte schon nichts gutes und leider hat es sich auch bestätigt. Er machte mit mir Schluss weil " er sich momentan doch nicht in der Lage sieht eine Beziehung zu haben" und auch immer noch nicht sicher sei ob er genug für mich empfinde. Er merkte auch an, dass er das Gefühl hätte, dass ich mich sehr stark emotional an ihn gebunden hätte. Was auch irgendwie wahr ist, aber ich würde nicht sagen, dass ich kein eigenes Privatleben ohne ihn mehr hatte. Schliesslich gehe ich auch arbeiten und habe eigene Hobbies und Freunde.
Wir redeten dann noch etwas und ich erklärte ihm erneut, dass ich seine Zuneigungssignale so anders interpretiert hatte als er das beschrieb. Ich erklärte ihm sogar genau welche Signale ich meinte, da ich merkte, dass er es irgendwie von selbst nicht verstand.
Er meinte aber er bleibe dieses Mal bei seiner Entscheidung, was ich dann auch respektierte. Da ich immer noch Sachen von ihm wie z.Bsp. ein zusammen angefangenes Puzzle und seine Spielekonsole bei mir Zuhause hatte, hab ich ihm gesagt, dass ich ihm diese am nächsten Morgen noch vorbeibringe. Es wäre für mich zu schmerzhaft gewesen, diese Sachen immer zu sehen und zu wissen, dass er nicht mehr bei mir sein wird.
Gesagt, getan. Nur stand er am nächsten Morgen schon auf dem Parkplatz vor seiner Wohnung mit verweinten Augen und extremen Augenringen. Er hätte die ganze Nacht nicht geschlafen weil ihm bewusst wurde was er "wieder für ein Vollidiot war".
Es täte ihm so verdammt leid, dass er mich erneut so verletzt hätte und sagte, dass ich seine Gefühle wohl besser lesen könne als er selbst. Er hätte sehr wohl starke Gefühle für mich. Versicherte mir sogar dies sei so "egal was er je sagen würde"!
Er hätte aber vollstes Verständnis, wenn ich sowas nicht nochmal durchmachen möchte mit ihm. Ich meinte dann, ich sei da eigentlich sehr verständnisvoll, gerade weil er ja Asperger hat und mir bewusst ist, dass seine Gefühlswelt einfach anders ist als meine eigene. Ich schlug ihm vor vielleicht eine Gesprächstherapie zu starten um besser zu lernen mit seinen Gefühlen umzugehen. Dem war er durchaus zugewandt.
Wir einigten und schlussendlich darauf, uns erstmal einige Wochen nicht zu sehen und auch nicht zu schreiben. Da sind wir bis auf eine Ausnahme bis jetzt auch dran. Ich hatte nämlich einen für mich sehr wichtigen Termin um eine Operation die ich machen werde zu besprechen. Ich hab ihn dann weil er mich da ursprünglich begleiten wollte, weil ichdavor grosse Angst hatte, gefragt, ob wir danach telefonieren können. Da hat er sofort zugestimmt und wünschte mich davor auch noch viel Glück für den Termin.
Am Telefon, hatte ich aber irgendwie wieder das Gefühl, er töne wieder irgendwie "kalt" . Ich fragte ihn dann ziemlich direkt, ob ich mich für unser abgemachtes Treffen welches wir für den 2.März planen auf etwas positives oder negatives einstellen soll.
Er meinet dann, es wäre ihm in der vergangen Woche energietechnisch wieder besser gegangen. ( er war wohl oft müde als wir zusammen waren) Deshalb liefe es wohl darauf hinaus, dass er wirklich nicht bereit sei für eine Beziehung. (Obwohl ich ihm ja erklärte, dass es für mich ok sei ihn auch deutlich weniger oft zu treffen! wodurch er ja theoretisch genug Zeit haben sollte sich zu regenerieren?)
Er meinte nur, dass wir gerne auch in Zukunft weiter mal zusammen was machen könnten und wir ja am 2.März darüber reden werden ...
Ich bin nun echt TOTAL verwirrt durch dieses ganze hin und her. Es macht mich gerade total fertig, denn alles in mir sträubt sich dagegen diesen Meschen aufzugeben. Alles andere an ihm ist einfach traumhaft. Die ganze Zeit verstanden wir uns super und hatten NIE Meinungsverschiedenheiten.
Ich hab nun wirklich Angst, dass er mir vielleicht doch die ganze Zeit was vorgemacht hat und hinterfrage echt ernsthaft meine Fähigkeit andere Menschen einzuschätzen. Es hat sich mit ihm einfach alles so richtig angefühlt und er gab mir so viel Kraft und auch Selbstvertrauen. Ich hoffte so sehr, dass ich ihm auch so ein gutes Gefühl geben konnte.
Nochmal; mir ist bewusst, dass er als Aspi eine andere Gefühlswelt hat und habe mich auch sehr mit diesem Thema befasst in letzter Zeit. Ich wäre absolut bereit gewesen, ihn so zu akzeptieren wie er ist und einen guten Lösungsweg zu suchen. Für ihn wäre mir kein Aufwand zu gross gewesen.
Meine Hoffnung ist, dass sich hier vielleicht jemand besser mit ASS und Beziehung auskennt oder gar ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Über Tipps, was ich am kommenden Samstag zu ihm sagen oder genau nicht sagen soll wäre ich echt dankbar!
Liebe Grüsse und danke fürs durchlesen!
Vanessa
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Hallo Vanessa
Schon mal vorweg, ich bin kein Spezialist im Thema ASS, dennoch habe ich in meinem Umfeld durchaus Bekannte, welche ASS haben.
Grundsätzlich ist es relativ schwierig festzustellen was das Problem sein könnte. Bei ASS ist es durchaus normal dass diese Schwierigkeiten haben, Beziehungen in jeglicher Art aufzubauen. Je nach dem können auch Gefühle, welche er nicht versteht, Angst machen, wodurch der Rückzug für in eher in Frage kommt.
Vielleicht hat er auch das Gefühl genau weil er Schwierigkeiten hat diese Gefühle einzuordnen, dass er dir nicht gerecht wird. Es kann aber auch daran liegen, dass er auch lieber in seine "Komfortzone" bleiben will, da Menschen mit Autismus sehr oft tendieren, auf strukturiertes und "ritualisiertes" Verhalten beharren.
Der Menschliche Verstand ist sehr komplex, da können alles mögliche an Gedanken aufkommen, grundsätzlich gibt es da keine Antwort mit der ich dich zufriedenstellen kann.
Das einzige was du tun kannst, ist versuchen mit ihm darüber zu reden und ihm zu zeigen, dass du Ihn unterstützt, die Entscheidung muss er jedoch selbst treffen. Ebenfalls muss dir im klaren sein, dass solche Vorfälle auch noch weiter passieren könnte. Auch wenn du sehr Verständnisvoll bist, ist es auf dauer schon eine psychische Belastung, wenn man auf so eine Situation trifft.
Ich will dir nur beide Seiten aufzeigen und auch nichts schönreden, für was du dich entscheidest, vor allem langfristig, musst du für dich entscheiden.
Ich habe dir sonst mal eine Freundschaftsanfrage geschickt, falls du noch weiter Interesse hast zu schreiben, ich hoffe ich konnte dir in irgendeiner Form helfen.
LG Julian ✌️
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Ich denke eher dass es gerade eine weniger gute Idee ist. Sie ist gut gemeint, jedoch solltest du es respektieren dass er halt auch seine Zeit braucht, um gewisse Sachen für sich auszumachen, oder um seine Gedanken einzusortieren. Wenn in dieser Phase noch informationen von aussen kommen, auch wenn diese gut gemeint sind, könnte das evtl. als Druck empfunden werden, wodurch die Möglichkeit besteht dass er komplett zu macht.
Das Beste was du machen kannst ist eure Abmachung zu respektieren und zu warten, wenn er von sich aus mit einer Veränderung kommt, kannst du ihn gerne Unterstützen, jedoch nicht drängen, jede Entscheidung sollte von Ihm aus gehen, da ein Ratschlag wie "Du solltest am besten...." viel Druck ausüben könnte.
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Hallihallo :)
Ich denke, dass kommunikation wohl wirklich das wichtigste ist. Viel wichtiges wurde schon in den kommentaren erwähnt..
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Danke dir vielmals für deine schnelle und ausführliche Antwort!
Ja, es bleibt wohl nichts anderes als abzuwarten wie unser Treffen am Samstag verläuft. Ich werde ihm nochmal versuchen zu zeigen, dass ich gerne bereit bin ihn zu unterstützen und Kompromisse einzugehen. Denn ich weiss eigentlich innerlich, dass ich ihm sehr wichtig bin. Oder zumindest war.. Mir macht es etwas Sorge, dass er es sich in dieser Zeit ohne mich wieder etwas "zu bequem" in seiner Komforzone gemacht hat. Denn ablenken kann er sich bestimmt viel besser als ich.
Ich versinke momentan echt im schlimmsten Kummer. Der Gedanke ihn loszulassen macht mich echt fertig. Wenn ich jedoch wüsste, dass es eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft gäbe würde ich so eine Zeit ohne ihn ganz sicher besser verkraften. Denn eigentlich habe ich gelernt sehr stark zu sein und mich selbt zu beschäftigen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich mich schon sehr stark an meine liebsten Menschen binde, was oft auch nicht all zu gesund für mich ist. Daran arbeite ich aber und ich gehe auch regelmässig in eine Gesprächstherapie.
Ich wünschte mir echt, dass er sich auch eine solche Hilfe suchen würde um besser mit seinen Gefühlen umgehen zu lernen. Meinst du kommt es als "Druck" rüber wenn ich ihm einige Selbsthilfegruppen oder Therapeuten vorschlage oder ist dies womöglich eine gute Idee?